Laid Back Woodfiring, Ofenbau mit Steve Harrison

Zum Ofenbau ist ein Film auf DVD erschienen, ca. 35 min, HD - Andreas Münz sei Dank! Für 16,- EUR ist der beim kalkspatz oder bei mir zu haben.

 

Alles funktioniert absolut perfekt, Dave…

Das Ofenbauseminar mit Steve Harrison in Alt Gaarz

Text: Markus Böhm


Nein, ich tu so etwas nie wieder. Versprochen. Montag anfangen, Dienstag Gewölbe gießen, Mittwoch isolieren und Rahmen schweißen, Donnerstag einlegen, Freitag brennen, Samstag abkühlen und Sonntag ausräumen. »Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen…« Was beim Rumpelstielzchen in letzter Sekunde schiefging, hat hier nicht zuletzt wegen des außergewöhnlichen Einsatzes aller Ofen-Bauer geklappt. Aber es war so eng, dass Steve und ich immer in Angst darum waren, etwas könnte plötzlich nicht mehr so perfekt laufen wie bisher. Er verlieh denn auch dem Ofen den Namen »Dave« nach dem Astronauten aus »Space Odyssee«, dem der Bordcomputer Hal mit sonorer Stimme immer wieder erzählt: »Everything is going perfectly well, Dave« während er gleichzeitig zu berechnen versucht, wie er Dave am besten in die Tiefen des Alls loswerden könnte. Dabei hatten Steve und ich ein halbes Jahr vorher am Telefon gemeinsam überlegt, wie der Zeitrahmen für das Seminar sein sollte, sieben Tage erschienen uns eine lange Zeit, schließlich müssen sich ja auch die potentiellen Teilnehmer eine »Frei-Zeit« schaffen, und ein Seminar wegen zu geringer Auslastung absagen zu müssen, ist ja immer irgendwie peinlich. Aber es kam ganz anders: Noch während ich im Januar einen von Steves Artikeln für die »Neue Keramik« übersetzte, auch um auf dieses Seminar hinzuweisen (leider erschien der Artikel dann erst ein halbes Jahr später während des Seminars), waren alle Plätze weg. Vielleicht ist der Gedanke, dass Holzbrand effizient, einfach, schnell und unaufwändig sein kann, gerade hier in Deutschland sehr interessant. Allerdings musste ich mir von Stefan Lehner die Frage gefallen lassen, warum der Name »Laid Back Woodfiring« gewählt wurde, der Ofenbau sei so gar nicht entspannt. Na ja, ich konnte mich immer noch damit herausreden, dass der Titel ja schließlich nicht »Laid Back Kiln Building« gelautet habe, und wirklich war dann auch das Brennen selbst im Gegensatz zum Bau sehr entspannt. Nur nach dem Abendessen kam etwas Hektik auf: Es war nur hin und wieder etwas nachgelegt worden, man war eher mit der Nahrungsaufnahme als dem Heizen beschäftigt und genoss den Abend am Ofen. Plötzlich rief Katrin Otolski: »Der 1380er ist runter, ik gloob es nicht, ist der runter? Nee, dat kann doch nicht sein…« Tatsächlich waren bei fast allen Schaulöchern die 138er Pyrometerkegel nicht mehr zu sehen und da dies eigentlich die Kegel waren, die stehen bleiben sollten, waren fast überall eben gar keine Kegel mehr zu sehen. Wir entschieden dann, erstmal mit dem Salzen anzufangen, und die Temperatur fiel denn auch wie gewünscht. Ich muss zugeben, so etwas ist mir in meiner ganzen Laufbahn als Holzbrenner nicht vorgekommen: im Hochbrand alle Kegel mal eben so beim Abendessen aus Versehen umgeheizt. Normalerweise ist ab 1320°C die Temperatursteigerung richtig Arbeit und eine Schubkarre voll Holz nach der anderen verschwindet im jetzt sehr gefräßigen Ofen. Aber es geht eben auch anders. Schon am Nachmittag waren wir bemüht, die Temperatur nicht so schnell steigen zu lassen, schließlich war da das Gewölbe noch nicht mal drei Tage alt.

Brennofen im Bau
Das hat nach meiner Erfahrung weit weniger damit zu tun, ob der Ofen denn nun mit schweren Schamottesteinen oder Feuerleichtsteinen gebaut ist, weitaus wichtiger ist die Effizienz der Feuerung. Die Bourry-Box wurde in Frankreich vor allem in der Porzellanindustrie genutzt und ist ideal für das Erreichen hoher Temperaturen mit Hartholz (noch bis weit in das letzte Jahrhundert hinein wäre in Europa wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, Nadelhölzer für Steinzeugtemperaturen zu verwenden). Diese Effizienz zeigt sich auch – oder eben nicht – am Schornstein: Es schlagen kaum Flammen heraus. Jens-Peter Planke zitiert in diesem Zusammenhang recht gern Wilhelm Pukall: »Ebenso zeugt das Heraustreten der Flamme aus der Esse immer von einer verfehlten Feuerungsanlage.« Man muss es wahrscheinlich selbst erleben, wie die Box zum Brandende den Ofen »alleine« brennt: es wird nicht mehr nachgelegt, die Primärluftzufuhr wird schrittweise verringert und die Temperatur am Pyrometer klettert stetig – beim letzten Brand um 140°C!

 

Ofen mit Pultfeuerung in KasselWarum in Deutschland bisher kaum jemand auf die Idee gekommen ist, solch eine Feuerung zu verwenden, wird mir wohl ein Geheimnis bleiben. Vielleicht hat das etwas mit dem »K 18« genannten Holzbrandofen an der Gesamthochschule in Kassel zu tun: Während der Planungsphase meines Ofens fragte Jens-Peter ganz erstaunt: »Was? Eine Bourry-Box willst Du bauen? Das hat doch schon in Kassel nicht funktioniert!« Ich rief Michael Üffing an. Demnach hätte niemand wirklich Interesse gehabt von oben zu heizen. Wenn ich mir die Zeichnungen ansehe, fällt der zu große Abstand zwischen Holzauflage (»hob«) und Brennraumboden auf, ja man hatte sogar noch einen Steinrost dorthin gebaut, wo eigentlich der Boden hätte sein müssen und damit die Wirkungsweise der Feuerung quasi gleich selbst sabotiert. Aber in weiser Voraussicht waren Feuerungstüren so integriert, dass man auch von vorn nachlegen konnte, was dann auch geschah und sehr gut funktionierte. Aber wie hätte der Ofen erst mit den beiden Pultfeuerungen gebrannt! Sicher war aber diese Vorgehensweise auch der Tatsache geschuldet, dass Schwarten aus dem Sägewerk als Brennholz verwendet wurden, da man sich die Arbeit des Spaltens sparen wollte. Jedenfalls könnte ich mir vorstellen, dass auf diese Weise die Bourry-Box in Deutschland den Aufkleber »funktioniert sowieso nicht« erhalten hat und es dann einfach niemand mehr probiert hat. Trotzdem ist die Bedeutung des »K 18« als einem der ersten größeren Holzbrandöfen an einer Hochschule für die Entwicklung des Holzbrandes in der Bundesrepublik sicher nicht zu unterschätzen, zumal Ralf Busz zufolge der Bau »trotz der Obstruktionen des Fachbereichsrates Kunst«1 erfolgte.
Manche Kollegen sahen es als Problem, dass das Holz auf eine einheitliche Länge geschnitten sein muss. Allerdings wird Brennholz in Deutschland sowieso in Längen verkauft, die ein ganzzahliges Vielfaches von einem Meter sind. Dann noch beim Ablängen Meterenden zu schneiden, ist nun wirklich kein Hexenwerk. Und wenn doch (wie beispielsweise bei der Eigenwerbung von Brennholz) kürzere Stücken anfallen, können diese sehr gut am Beginn des Brandes verheizt werden, wo das Holz noch auf dem Boden der Feuerung brennt und das Glutbett erst aufgebaut werden muss.

 

Inzwischen werden im Grunde genommen zwei Versionen der Bourry-Box verwendet: oben geschlossen (wie z. B. bei dem Ofen in Guldagergaard, der von Robert Sanderson gebaut wurde) oder oben offen wie bei Steves Öfen üblich.

Konstruktionszeichnung von Steve Harrison

Zuerst wollte ich die geschlossene Variante bauen, aber dann ist die Asche nicht so unkompliziert zu entfernen, das Holz lässt sich nicht so einfach auf den Vorsprüngen platzieren und Ute Dreist hatte mir erzählt, dass dann die Feuerung auch oberhalb der Holzauflage doch recht heiß würde und die Strahlung unangenehm beim Nachlegen sei, weil gerade Kopf- und Halsbereich davon betroffen seien. Außerdem werden dann schwerere Holzstücke doch mit Schwung eingeworfen, was die Haltbarkeit der gegenüberliegenden Wand meist negativ beeinflusst. Andererseits hatte ich doch etwas Angst, dass eine beim Nachlegen nach oben komplett offene Feuerung sich schwierig bedienen ließe; aber, so dachte ich, die Kiste später noch zu schließen ist ja kein Problem. Allerdings funktioniert die Box so gut, dass ich sie genau so weiterbenutzen werde, wie Steve sie gebaut hat. Und dass er davon schon viele gebaut hat, merkt man sofort beim Brennen: Die Luftlöcher für die Kontrolle des Glutbettes liegen in genau der richtigen Größe an der richtigen Stelle und die Höhe der Holzauflagen ist optimal. Wenn diese zu niedrig ist, verstopft das Glutbett den Durchgang für die Verbrennungsgase und im gegenteiligen Fall kann die Hitze des Glutbettes das darüberliegende Holz gerade in der Anfangsphase des Brandes nicht optimal erreichen.Bei der Konstruktion der Brennkammer selbst hatte ich keine Vorbilder. Normalerweise liegt der Boden der Bourry-Box niedriger als die Brennkammer, wenn nicht gerade ein sogenannter Train-Kiln gebaut wird. Bei Kammeröfen wird dadurch die Flamme umgelenkt und durch den Besatz gezwungen, anstatt einfach am Ofenboden entlang zu streichen und das Gewölbe kaltzulassen. Mein Ziel ist es aber, Töpfe mit unterschiedlichen Seiten zu bekommen und so den Weg der Flammen auf die Gefäße zu zeichnen, was nun mal eine liegende Flamme voraussetzt. Deshalb ist bei meinem Ofen auch der Boden durchgängig auf derselben Höhe. Um trotzdem eine gute Temperaturverteilung zu gewährleisten, wollte ich eine durchbrochene Feuerwand und eine durchbrochene Rückwand (die Japaner nennen so etwas Sutema) einsetzen. Steve meinte, das wäre eine neue Bauweise, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass nicht irgendwo auf diesem Planeten schon jemand anders auf diesen Gedanken gekommen ist. Jedenfalls hätte ihn gerade diese Neuartigkeit gereizt, das Ofenbauseminar mit mir zu veranstalten. Beim Bau der Feuerwand verließ ich mich dann vollständig auf Steves Erfahrungen. Ich hätte wesentlich mehr Lücken gelassen, aber die Temperaturverteilung und die Verteilung der Anflüge sollten sich als optimal herausstellen.

Die Box beim Auflegen

Neu war auch die Klappe für die Abdeckung der Bourry-Box. Ich hatte Steve eine Skizze gemailt, in der ich eine auf Schienen nach oben weggleitende Klappe mit Gegengewichten und Hebel entwarf. Dabei sollte sie sich so anheben, dass die heiße, untere Seite in Richtung Ofen und nicht in Richtung Heizer zeigte. Steve reagierte höflich, aber ob der Komplexität skeptisch, so wie dann die meisten Seminarteilnehmer auch. Aber dank Leos und Ulrichs Hilfe funktionierte das System dann doch, und zwar gerade rechtzeitig, als während des Brandes dann die Bourry-Box »richtig« in Betrieb genommen wurde.
Natürlich war im Ganzen das Gelingen des Seminars der tollen Mischung sehr verschiedener Leute geschuldet, von denen jeder seine spezifischen Fähigkeiten einbrachte, ob beim Mauern, Kochen, Schweißen oder Holz spalten. Für Steve und mich war es schön zu erleben, wie trotz der langen Arbeitstage eine ausgezeichnete Stimmung herrschte. Eine Stimmung, die auch uns selbst dann wieder in ihren Bann zog. Als der Ofen endlich eingeräumt, einigermaßen geschlossen und der Gasbrenner gezündet war, meinte Steve, er würde am nächsten Tag sicher nicht vor Acht am Ofen sein, was für ihn ungewöhnlich spät gewesen wäre. Aber als ich kurz nach sieben am Ofen war, musste ich feststellen, dass Steve schon vor mir dort war: Die hölzerne Form für die am Abend vorher gegossene Feuerungstür war entfernt worden.
Erwähnt werden muss auch noch, dass dies eigentlich ein Seminar mit zwei Ofenbauern war: Andres Allik aus Estland fand das Projekt so interessant, dass er eigens dafür anreiste. Normalerweise baut er Holzbrandöfen im Baltikum, Finnland und den USA, wo er im Moment auch gerade wieder arbeitet. Durch seine ruhige, kompetente und zupackende Art erwarb er sich sehr schnell die Sympathie der Seminarteilnehmer. Ich weiß nicht, ob wir ohne ihn den Zeitplan eingehalten hätten.

Ein weiteres Experiment ist es, auch die Seitenwand aus Feuerbeton zu gießen. Dieser isoliert weit besser als schwere Schamottesteine und wegen seines hohen Gehaltes an Tonerde nimmt er kaum Anflüge an, was für eine lange Haltbarkeit im Salzbrand spricht.

Andres Allik und Ragnvald Leonhardt beim Fachsimpeln

Jens-Peter war sehr skeptisch, was die Brennresultate betraf: eine solche Oberfläche der Ofenwand führe zu »trockenen« Oberflächen auf den Töpfen, was sich allerdings schon im ersten Brand als unrichtig herausstellte. Überhaupt ist dieser Feuerbeton für mich das Material der Wahl, wenn komplexere Gewölbe und schnelle Bauzeiten verlangt werden. Er enthält Hohlkugelkorund und Leichtschamotte, was natürlich besser isoliert als Schwerschamotte. Trotzdem hat der Ofen Bernd Pfannkuches These von der Ineffizienz schwerer Ausmauerungen eindrucksvoll widerlegt: wenn ich die Zeit für das Heizen und das verbrauchte Holz auf die Menge der gebrannten Ware beziehe, ist mein großer, alter, schwerer Ofen effizienter, und zwar deutlich! Holzbrand ist nun mal eine hochkomplexe Angelegenheit, bei der schlichte Regeln und schwarz-weiß-Denken nicht besonders zielführend sind. Erst wenn ich meine eigene Energie und die steilere Lernkurve bei häufigeren Bränden in die Kosten-Nutzen-Analyse einstelle, erhält der Ofen eine Daseinsberechtigung. Beim zweiten Brand nicht ganz 14 Tage später war die Endtemperatur um 14.30 Uhr erreicht, begonnen hatten wir früh um 7.00 Uhr. Mit siebeneinhalb Stunden also ein »normaler« Brennverlauf, verglichen mit Elektro- oder Gasöfen.



Vor dem Öffnen des Ofens hatte ich etwas Angst: Nicht nur, dass gleich der erste Brand bisher unerreichte Temperaturen hinter sich gebracht hatte, »Projekt Dave« war einfach so »perfectly well« gelaufen, dass eigentlich nicht auch noch der Brand selbst gut sein konnte. Aber diese Angst war unbegründet. Es gab viele »Oohs« und »Aahs«, als die Stücke an das Tageslicht kamen. Für mich war es besonders schön zu sehen, wie tatsächlich die Bauweise des Ofens zu »Licht- und Schattenseiten« auf den Stücken geführt hat.
Teeschale von Steve HarrisonIch hoffe, dass die Alt Gaarzer Ofenbauer von diesem Seminar nicht nur schöne Stücke mitgenommen haben, sondern auch den Mut und die Ideen, sich an den eigenen Ofenbau zu machen.